Wohngruppe Segeberg e.V.
Lübecker Nachrichten, 13.4.2011

Lübecker Nachrichten, 13.4.2011

MS-Wohngruppe ausgezeichnet

Die Multiple-Sklerose-Gesellschaft hat zwei langjährige Betreuer geprüft und ausgezeichnet.

Bad Segeberg – Jüngst wurde die Leistung der Wohngruppe für jüngere Bewegungsbehinderte in Bad Segeberg mit der Pflege- Traumnote 1,2 bewertet. Gestern kam eine weitere Auszeichnung dazu: für Pflege bei Multipler Sklerose. Die Leiter des Pflegedienstes, Rosemarie Schroeder und Hartwig Schritt, absolvierten eine entsprechende Fortbildung. Nun gilt die Wohngruppe als geprüft von der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG).
Multiple Sklerose (MS) ist eine Entzündung des zentralen Nervensystems. “Etwa 135 000 Menschen in Deutschland sind an MS erkrankt”, sagte Julia Sandmann, Sprecherin des Landesverbandes der DMSG, bei der Auszeichnung der Wohngruppe gestern in Bad Segeberg. Doch die Dunkelziffer sei hoch. “Die Diagnose von MS kann Jahre dauern”, sagte sie weiter. Zudem werde die Krankheit tabuisiert. Den Grund sieht sie im unvorhersehbaren Verlauf der Krankheit und der damit einhergehenden Ungewissheit für die weitere Lebensplanung: “MS ist die Krankheit der 1000 Gesichter.” Es gebe Patienten, die mit 80 Jahren gut mit der Erkrankung lebten, aber auch 20-Jährige, die bereits auf den Rollstuhl angewiesen seien. Besoders schwere Fälle, die aber nur einen kleinen Teil der Erkrankten ausmachen, werden in der Bad Segeberger Wohngruppe betreut. Seit 25 Jahren. Als Altenpfleger haben Rosemarie Schroeder und Hartwig Schritt hier vor über zehn Jahren mit ihrer Arbeit begonnen. “Nun wollten wir wissen, wo wir stehen”, sagte Rosemarie Schroeder. In einer 50-stündigen Fortbildung lernten die beiden noch mehr über die Krankheit und die besondere Pflege, die sie fordert. “In der Lagerung und der Krankengymnastik konnten wir durch unsere Erfahrungen gut mithalten”, bemerkte Rosemarie Schroeder. Aber die psychologischen Auswirkungen würden sie nun besser verstehen. Für MS gebe es keine Heilung, deshalb klammerten sich die Erkrankten an Routine, erklärte Schritt. Das könne die Tischdecke sein, die nicht gerade liege, oder das Glas, das nicht an seinem gewohnten Platz stehe. Dass die Betroffenen dann emotional, zuweilen aggressiv reagierten, liege an der Krankheit. “Sie können dann nicht anders, weil bestimmte Regionen des Nervensystems zerstört sind”, sagte Rosemarie Schroeder. Diese Erkenntnisse geben die beiden nun an ihre Kollegen im Haus weiter.
Damit die Einrichtung auch in Zukunft als DMSG-geprüft gilt, soll weitere Fortbildung folgen, das Zertifikat muss alle zwei Jahre erneuert werden.

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Segeberger Nachrichten 14.4.2011

Die tückische Krankheit mit den 1000 Gesichtern

Bad Segeberge Wohngruppe für Multiple-Sklerose-Patienten wurde ausgezeichnet

Bad Segeberg. Doppelten Grund zum Feiern hat die Wohngruppe Segeberg für jüngere Bewegungsbehinderte, die oft nur als “MS-Wohngruppe Kuckucksbarg” bezeichnet wird. Die Einrichtung wurde vor 25 Jahren gegründet und erhielt jetzt vom Landesverband Schleswig-Holstein der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) die Auszeichnung “DMSG-geprüfter Pflegedienst”. von Peter J. Stehmel

“Bei der Gründung 1986 haben wir Neuland betreten: Jüngere Menschen mit Pflegebedarf kamen in Alten- und Pflegeheime und oft mit alten Menschen in Mehrbettzimmer”, berichtet Margret Schultes, Vorsitzende des Trägervereins. Die jüngeren Kranken mussten dabei oft den Tod von Zimmergenossen erleben. Außerdem hatten sie meist ganz andere Interessen als ihre alten Leidensgenossen, was mitunter zu Konflikten führte. Jüngere Patienten wollen mal auf eigene Faust in die Stadt und die Umgebung für sich allein entdecken.
Ursprünglich war die Gruppe auf alle Bewegungsbehinderte eingerichtet. Heute leben am Kuckucksbarg bis auf wenige Ausnahmen 17 Menschen mit Multipler Sklerose und werden von über 20 Mitarbeitern betreut. Die jüngste Bewohnerin ist 26 Jahre alt. Alle sind auf Pflege angewiesen. Bei manchen ist die Krankheit so weit fortgeschritten, dass sie nur noch mit den Augen kommunizieren können.
In Deutschland gibt es etwa 135.000 Menschen mit Multipler Sklerose. Allein in Schleswig-Holstein wird mit 4.000 bis 5.000 Fällen gerechnet. “Die Dunkelziffer ist sehr hoch, weil die Diagnose sehr lange dauert – manchmal fünf, manchmal auch über zehn Jahre”, berichtet Julia Sandmann, die beim Landesverband der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft für Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. MS komme als “Krankheit der 1.000 Gesichter” daher. Anders als bei Querschnittsgelähmten, die um ihre Situation wissen, kommt bei MS-Kranken die ständige Angst vor Verschlimmerung dazu.
“MS wird oft tabuisiert”, weiß Julia Sandmann. Die Betroffenen haben Angst, es ihrer Familie oder ihrem Arbeitgeber zu sagen, weil die Diagnose die Zukunftsplanung wie eine eigene Familie oder eine Karriere über den Haufen werfen kann.
Die Betreuung der besonders schwer von MS betroffenen Menschen, wie sie am Kuckucksbarg geboten wird, verlangt den Pflegekräften viel ab. “Viele möchten auch nur einmal jemandem zum Zuhören haben”, berichtet stellvertretender Pflegedienstleiter Hartwig Schritt. Oft müssen auch die psychischen Folgen der Krankheit aufgefangen werden, erklärt Pflegedienstleiterin Rosemarie Schroeder, die zusammen mit Schritt an einer 50-stündigen Fortbildung teilgenommen hat.
Die dort gewonnenen Informationen kommen nun auch den Kollegen zugute. Geplant ist, dass auch andere Mitarbeiter des Hauses an der Fortbildung teilnehmen. Außerdem gibt es jährlich Nachschulungen. Wenn mindestens zwei examinierte Fachkräfte eines ambulangten oder stationären Pflegedienstes an der Fortbildung teilgenommen haben, gibt es die Auszeichnung der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft.
Die Wohngruppe am Kuckucksbarg bekam die sehr gute Note 1,2 für die Pflegeleistung. “Darauf sind wir stolz”, sagt Margret Schultes, die mit ihrem Team versucht, den Patienten das Leben so angenehm wie möglich zu machen. So gibt es Feste und Konzerte im Hause, es werden Ausflüge in die Stadt gemacht oder Aufführungen im Wahlstedter Theater besucht.
Das Wichtigste ist aber die optimale Betreuung der Kranken – beispielsweise durch Ergotherapie. Ohne ständige Betreuung können sich Fähigkeiten schnell wieder zurückentwickeln. Viel sei aber schon gewonnen, wenn sich die Situation der Patienten nicht verschlechtert.